Die andere Seite der Gesellschaft

„Es kann gut sein, dass mehr Ausländer Taijiquan betreiben als Chinesen“, meinte kürzlich Xiling, einer der Trainer am Beijinger Wudaoguan, zu meiner Überraschung. Tatsächlich? Mehr Ausländer interessieren sich für traditionelle Kampfkunst und Qigong als Chinesen? Nach einiger Überlegung musste ich ihm Recht geben. Es kann durchaus sein, dass vor allem junge Chinesen nur wenig Interesse an traditionellem Wissen und Bewegungskünsten haben. Viele moderne Städter machen heutzutage lieber Yoga oder gehen ins westliche Fitnessstudio. Aber gibt es denn in den Kampfkunst- und Qigong-Schulen – zum Beispiel in Meister Tian Liyangs traditioneller Schule in Wudangshan – gar keine Chinesen?

Doch, es gibt sie. Als ich letzte Woche wieder dort war, hatte ich Gelegenheit, mit einigen zu reden. Es sind Kinder und Jugendliche, die die Wudang-Bewegungskünste von Grund auf lernen wollen und die Monate oder Jahre in der Schule leben, arbeiten und studieren. Und es sind Menschen meist mittleren Alters. Meist bleiben sie für eine gewisse Zeit, drei Monate, ein halbes oder ein ganzes Jahr. Es sind meist Menschen, die Brüche in ihrem Leben erfahren haben, die plötzlich erkranken, die dem Druck der Familie oder der Arbeit nicht mehr standhalten können oder die unter chronischen Gesundheitsproblemen leiden, die nicht zu den strahlenden Siegern gehören, sondern die auf der anderen Seite der Gesellschaft stehen. Dann, wenn nichts anderes mehr hilft, erinnern sie sich ihrer alten Heilmethoden. Die traditionellen daoistischen Kampfkunst-Schulen fungieren so auch als Therapiezentren für gesundheitliche und soziale Problemfälle.

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Im kleinen Städtchen Wudangshan in der Provinz Hubei wird viel gebaut. Kampfkunst und Daoismus sollen helfen, den Tourismus anzukurbeln und die Region zu entwickeln. Auch die traditionellen Kampfkunstschulen profitieren davon.

Die meisten sprechen nicht offen über ihre Krankheit oder erwähnen nur allgemein, dass sie „schwer krank“ sind. Aber manchmal packen sie aus und dann fließt das ganze Leid aus ihnen heraus: Eine leidet an Krebs, hat eine schwere Operation hinter sich und möchte in Wudangshan wieder zu Kräften kommen, ein anderer hat chronische Nackenschmerzen, ein weiterer ein ernstes Leberleiden, ein ganz junger, etwa 20 Jahre alt, erzählt wie er als einziges Kind den hohen Erwartungen der Familie nicht entsprach, dem familiären Druck nicht standhalten konnte und „eine Krankheit entwickelte“, wie er sich ausdrückt.

Die traditionellen Methoden der Gesundheitspflege helfen. Vor sechs Wochen konnte eine etwa 50-jährige Schülerin kaum gehen, damals hatte sie extreme Knie- und Gelenkschmerzen, vermutlich Arthrose. Und trotzdem machte sie alle Übungen mit, etwas weniger, viel langsamer, vorsichtiger als die anderen. Als ich sie jetzt wieder traf, lief sie recht flott die Treppe rauf und runter. Langes Stehen, manchmal auf einem Bein, langsame, gleichmäßige Bewegungen, Meditation, Standübungen wie sie für Tajiquan und andere Qigong-Übungen typisch sind, hilft das bei Arthrose? Offenbar schon.

„Die Einstellung und das Herz zu kultivieren sind die ersten Schritte, danach fängt man an, die Bewegungen und alles weitere zu lernen“, sagt Meister Tian. Die Übungen sind eingebettet in eine Geisteshaltung und einen Lebensstil. Wer sich das zu eigen macht, hat eine echte Chance auf einen Neuanfang.

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Beijinger Lieblingsorte

Nach drei Jahren kennt man eine Stadt schon ganz gut, auch wenn sie 22 Millionen Einwohner hat. Natürlich kennt man nicht jede Ecke, dies wird man bei der Größe  Beijings auch in 20 Jahren nicht schaffen, aber man hat schon die meisten Viertel gesehen und „seine“ Plätze gefunden. Dazu zählen Orte, an denen man ungewöhnliche Menschen kennengelernt hat, Landschaften, die besonders reizvoll sind oder Bauwerke, die eine beeindruckende Geschichte haben – einfach Orte, die man gern und öfter besucht, Lieblingsorte eben.

Ich beginne mit den Außenbezirken Beijings und bewege mich über neun Stationen – neun ist bekanntermaßen eine magische Zahl der Chinesen – Stück für Stück in  Richtung Kaiserpalast, dem Zentrum der Stadt, die Mitte der Welt, wo alles angefangen hat und weswegen hier überhaupt eine Stadt steht.

Guigu: ein Tal in den Beijinger Bergen
Auf unserem ersten Ausflug in die Berge nördlich von Beijing sind wir auf ein kleines Tal gestoßen, das Guigu-Tal. Es war Winter und wir hatten Schwierigkeiten, die vereisten Holzstege hochzuklettern, aber irgendwie haben wir es geschafft. Wir erreichten ein kleines Tal auf halber Höhe mit ein paar verstreuten Tempelchen zum Andenken an den Eremiten Guigu, der vor über 2000 Jahren hier gelebt haben soll. An den Bäumen hingen rote Laternen, Schnee lag nicht, aber ein riesiger, vereister Wasserfall hing an den senkrechten Felsen. Im hinteren Bereich des Tals stand ein kleines Wohnhaus, in dem zwei Daoisten vom Tempel der Weißen Wolke lebten und damit beauftragt waren, das Tal in Ordnung zu halten.

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Das Guigu-Tal ist eines jener Landschaften, die eine unglaubliche Harmonie ausstrahlen. Man möchte sofort Pause machen, sich hinsetzen, einfach dem Wind zuhören, wie er in den Bäumen rauscht, die steilen Felsen betrachten, eine gute Tasse Tee trinken, die herrliche Luft und den blauen Himmel genießen. Ist das Tal von Natur aus so? Die Tempel sind kunstvoll im Tal verteilt, der Weg schlängelt sich harmonisch die Felsen entlang, die ein oder andere Felsformation kommt mir von Menschen beeinflusst vor, chinesische Fengshui-Geomantie hat ein wenig nachgeholfen und verstärkt die harmonische Wirkung der Naturlandschaft.

Nach dem Guigu-Tal kann man nicht suchen, es steht in keinem Reiseführer, auch nicht in den chinesischen. Wir sind damals mit dem Auto einfach drauflos gefahren, der Nase nach, irgendwo rechts abgebogen, haben angehalten, wo es schön war und sind den nächsten Weg in die Berge spaziert. Und plötzlich standen wir inmitten dieser hübschen Anlage. Die schönsten Orte sind die, die man gar nicht sucht, sondern die man einfach findet!

Die Große Mauer und das Mingming Shanju-Hotel
Die Große Mauer ist ein Muss für jeden Chinareisenden. Man kann sie sich natürlich an den restaurierten Abschnitten in Badaling oder Mutianyu anschauen. Dort ist die Mauer beeindruckend, großartig, zum Nationalsymbol stilisiert, vermutlich imposanter und mit Sicherheit lauter und belebter als je zuvor. Aber es gibt auch leisere Abschnitte, wo die Mauer das ist, was sie eigentlich ist: eine halb zerfallene Ruine aus dem 16. Jahrhundert. Ein besonders schönes Stück liegt am Xiangshui-See. Die Mauer ist dort nur notdürftig repariert und zum Teil noch im Originalzustand.

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Mingming Shanju am Xiangshui-See

In unmittelbarer Nachbarschaft ist Teng Jings kleines Hotel Mingming Shanju („Lichtes Bergheim“). Seit fünf Jahren lernt sie Teezeremonie, steckt Blumen und interessiert sich auch sonst sehr für chinesische traditionelle Kultur. „Offenbar leben wir in einer Zeit, in der man die alte Kultur Chinas wiederentdeckt“, meint sie. Früher war sie Grundschullehrerin und hat eine Reihe von Lehrbüchern geschrieben. Auch heute fährt sie noch ab und zu nach Beijing und hält Vorträge über Pädagogik. Auf dem Land leben, in der Stadt Geld verdienen – „neue Landbevölkerung“ nennt man diese Art von neuen Stadt-Land-Pendlern.

Mingming Shanju steht auch für eine ganz neue Art von Hotels. Teng Jing kümmert sich reizend um jeden einzelnen Gast, bietet eine hervorragende Küche und hat ihr kleines Hotel sorgfältig mit hochwertigen Materialien und in Harmonie mit der Umgebung gestaltet. Werbung macht sie nicht, einen Wechat-Blog schreibt sie, ihre Gäste sind ihre Freunde und die Freunde von Freunden von Freunden. Entsprechend familiär und herzlich geht es zu. In den Beijinger Bergen gibt es noch zwei weitere Unterkünfte dieser Art, in Chengdu haben wir eins gefunden, in Moganshan bei Nanjing soll es welche geben, ein wenig erinnern sie an die japanischen Privatunterkünfte Minshuku. Hoffentlich gibt es bald mehr davon.

Sommerpalast und Olympiapark
Neben der Großen Mauer noch eine Ikone der chinesischen Kultur: der Sommerpalast und die kaiserlichen Gartenanlagen. So wie sich in der natürlichen Umgebung des Guigu-Tals ein harmonisches Gesamtgefühl einstellt, so stellt sich ein ebensolches Gefühl in einer von Menschen gemachten Gartenanlagen ein. Spitze und runde Formen, harte und weiche Baumaterialien, Bergformationen und Gewässer, kleine Inselchen und lang gestreckte Buchten, hohe Brücken und geschwungene Wege – alles künstlich aufgeschüttet, angelegt, angepflanzt –  wechseln einander ab, geben Ausblicke auf entfernt liegende Berge oder lenken den Blick auf die nächste Pagode oder ungewöhnliche Steinformation. Im Nu verliert man die Orientierung und wandelt zeitvergessen und traumverloren zwischen Büschen und Bäumen, Türmchen und Pagödchen umher.

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Sommerpalast: der Kunming-See mit Blick auf den Duftberg Xiangshan.

Die neuen Beijinger Gartenanlagen können sich mit den alten durchaus messen. Landschaftsarchitektur ist eine der traditionellen Künste, die es irgendwie in die Neuzeit geschafft hat. Ein gutes Beispiel ist der neue Olympia-Park, der anlässlich der Olympiade 2008 angelegt wurde und der jetzt ein großes, grünes Naherholungsgebiet im Norden der Stadt ist. Der Park zeigt auch, dass die heutigen Beijinger Stadtplaner die Grundstruktur ihrer Stadt nicht vergessen haben. Er liegt genau auf der Verlängerung der zentralen Nord-Süd-Achse, auf der auch das Südtor, das Mao-Mausoleum, der Tiananmen-Platz und der Kaiserpalast liegen. Dies ist Beijings Zentralachse, auf der alle wichtigen Bauwerke aufgereiht sind und die die Stadt bis heute in eine Ost- und eine Westhälften teilt. Der Olympiapark liegt noch auf einer weiteren Linie, einer Ost-West-Linie, die die kaiserlichen Gärten Duftberg, Sommerpalast und Alten Sommerpalast miteinander verbindet. Mittels des Olympiaparks haben die Beijinger Stadtplaner diese beiden Achsen verbunden und in gewissem Sinne die ursprüngliche Stadtanlage Beijings vollendet. Soll noch jemand behaupten, die Chinesen hätten ihre alte Kultur vergessen. Sie ist lebendiger denn je!

Fortsetzung folgt.

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„Belt and Road“ oder die „Neue Seidenstraße“

Wenn auf Plätzen und Straßenkreuzungen plötzlich riesige Blumenbukette stehen, wenn an Brücken und Laternenpfählen bunte Spruchbänder für Frieden und Wohlstand werben, wenn an den Straßenkreuzungen die Zahl der Polizeifahrzeuge und „Freiwilligen Ordner“ zunimmt, wenn U-Bahnhöfe abgesperrt werden und wenn der Himmel in tiefem Blau erstrahlt, dann muss in Beijing mal wieder ein internationales Ereignis bevorstehen. Am vergangenen Wochenende war es das „BRF“, das „Belt and Road Forum“. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping hat die Welt nach Beijing eingeladen, um sich an seiner „Belt and Road Initiative“ (BRI) zu beteiligen. Es kamen 1.300 Teilnehmer aus insgesamt 100 Ländern, darunter 29 Regierungschefs.

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Segelschiffchen, Friedenstauben, strahlend blauer Himmel zum Belt and Road Forum (BRF): ein herrliches Blumenbukett schmückt den Eingang zum Chaoyang-Park. Foto: Ulrike Lassmann

Die „Belt and Road Initiative (BRI)“ ist eine Handels- und Wirtschaftsinitiative des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, die er 2013 zu Beginn seiner Amtszeit ins Leben gerufen hat. Man kann auch einfacher „Neue Seidenstraße“ sagen, denn darum geht es: wirtschaftliche Entwicklung entlang der alten Seidenstraße über Land durch Zentralasien bis nach Europa und über das Meer nach Südostasien, Südasien bis nach Afrika, insgesamt 68 Länder, 60% der Weltbevölkerung. 40 Milliarden USD waren anfangs dafür reserviert, auf dem Forum hat Xi weitere 113 Milliarden USD in Aussicht gestellt. Das Geld wird vorwiegend für Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen, Eisenbahnstrecken, Häfen, Versorgungsanlagen eingesetzt. Die Initiative ist Teil von Xi Jinpings umfassendem „Chinese Dream“ von der „Wiederauferstehung der chinesischen Nation“, also von nichts weniger als Chinas künftiger Führungsrolle in der Welt. China kleckert nicht, China klotzt. Seit Trumps Amtsantritt inszeniert sich China verstärkt als Verfechter des freien Welthandels und der Globalisierung.

Und Xi sang bei der Eröffnung das Lied vom freien Handel, von der positiven Wirkung von Wachstum und Globalisierung, von Öffnung und Toleranz, von Kulturaustausch, von Entwicklung, Frieden und Wohlstand für alle Menschen dieser Erde. Eine politische Ambition habe China nicht und eine Einmischung in andere Länder verfolge China auch nicht. „‚Belt and Road‘ ist zwar eine chinesische Idee, aber sie gehört der Welt.“ Ein bisschen Vision, ein bisschen Märchenstunde, ein bisschen Nationalstolz.

Inspirativ, weitsichtig und visionär sei diese Eröffnungsrede gewesen, meinte ein Vorstand eines westlichen Unternehmens. Geschickt und taktisch klug war sie auf jeden Fall. Nach außen spricht Xi die moderne Wirtschaftssprache ähnlich wie auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Nach innen spielt er mit nationaler Symbolik und zeigt, dass er in der Lage ist, die Welt nach China einzuladen und möglicherweise in Zukunft auch anzuführen. Sein Vorgänger Deng Xiaoping predigte Zurückhaltung, um die wahre  Stärke des Landes zu verstecken. Xi, der zwar im wesentlichen Deng Xiaopings Politik fortsetzt, hat das Understatement aufgegeben, läuft mit hohem Haupt und stolzer Brust auf internationaler Bühne und hält mit Chinas gewaltiger Macht und Stärke so gar nicht hinterm Berg.

Nur, was ist bloß mit „Öffnung“ gemeint, mit „die Geschichte sagt uns: In der Öffnung entwickelt sich die Zivilisation“, „sich öffnen bringt Fortschritt, sich verschließen führt zu Rückschritt“? Stimmt ja alles, nur wie passt das zum Blocken von Webseiten wie z.B. der New York Times oder der South China Morning Post, wie Google, Youtube, Facebook oder Dropbox? Warum werden die Medien im Landesinnern kontrolliert? Warum werden kritische Beiträge auf Wechat gelöscht? Warum sollen Chinesen nicht das aufrüttelnde Video „Unter der Glocke“ der Journalistin Cai Jing sehen?

Ein aufrichtiges Interesse an der Entwicklung in Asien kann man den Chinesen nicht absprechen, natürlich gepaart mit wirtschaftlichen Interessen und politischem Machtanspruch. Das ist nicht viel anders als bei der westlichen Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. Die Neue Seidenstraße repräsentiert die Variante der Entwicklung wie sie in China funktioniert: der Staat sorgt für die Infrastruktur und verlässt sich auf eine ungemein geschäftstüchtige, disziplinierte Bevölkerung, die diese nutzt. Die Frage ist nur, klappt das auch in Ländern wie Kasachstan, Pakistan, Bangladesh oder Kenia mit völlig anderen Rahmenbedingungen und Mentalitäten. Möglicherweise nicht genauso wie in China, aber Chinesen verhalten sich in anderen Ländern durchaus flexibel, pragmatisch und völlig unideologisch.

Wir werden sehen, die Belt and Road Initiative steht erst am Anfang. In zwei Jahren soll der nächste Gipfel stattfinden. Beijing hat seinen Plan und wird ihn weiter verfolgen. Wir tun gut daran, uns damit zu beschäftigen, bislang nehmen die Europäer die Initiative nicht besonders Ernst. China und die Kreativität und der Pragmatismus seiner Menschen wird von uns immer noch unterschätzt. Wenn China sich so weiter entwickelt wie die letzten 30 Jahre, dann wird die Welt bald sehr viel „chinesischer“ sein.

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Rebell auf leisen Sohlen

Leise Stimme, schüchternes Lächeln, hellblaues Hemd, ein einfaches schwarzes Sakko drüber – freundlich und sehr zurückhaltend tritt Ma Jun auf, Chinas bekanntester Umweltschützer und Gründer der chinesischen Umweltinitiative Institute of Public & Environmental Affairs (IPE). Die Beijing International Society hat in die irische Botschaft eingeladen, und Ma Jun redet über „Empowering the People“.

„Empowering the People – den Menschen mehr Macht geben“ und zwar mit Hilfe von  Verbreitung von Informationen, Beteiligung und Transparenz. Nur auf diese Weise könnten die Umweltprobleme in China gelöst werden, meint Ma Jun. „Regierung und Verwaltung können die Umweltprobleme Chinas nicht allein lösen. Nur wenn transparent ist, wer die Umwelt verschmutzt, wenn möglichst viele Menschen mitmachen und sich engagieren, dann werden auch Regierung und Wirtschaft besser handeln können.“ Solche Sätze hört man in China nicht sehr oft.

Zur Erinnerung – wir leben in einem Land, in dem die Medien nahezu perfekt kontrolliert werden. Von einer Zivilgesellschaft oder von einer Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen kann hier nicht die Rede sein. Es gibt schon Berichte und Reportagen über Umweltverschmutzung, derzeit wird in einigen Medien über eine ganze Reihe von aktuellen Umweltskandalen in der Provinz Hebei berichtet, aber allzu kritisch dürfen diese Berichte nicht ausfallen. Im letzten Winter, als der Smog in Beijing besonders heftig war, sind etliche Reportagen auf der Messenger-Plattform Wechat gelöscht worden. In Chengdu ist eine Gruppe von Künstlern festgenommen worden, als sie  gegen Luftverschmutzung demonstrierte. Und vor zwei Jahren war die Video-Dokumentation „Unter der Glocke“ der Journalistin Cai Jing nur für ein paar Tage im chinesischen Netz zur Verfügung (auf Youtube ist sie noch heute anrufbar). Ein Umweltschützer wie Ma Jun kann auch nicht vor Gericht gegen Umweltverstöße klagen trotz eines strengen nationalen Umweltgesetzes. Demonstrationen oder Aufsehen erregende Aktionen à la Greenpeace sind natürlich erst Recht nicht möglich.

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Luftqualität in China am 29.4.2017: anhand der Farben sieht man, dass die Luft im Nordosten sehr schlecht (schwarz) ist, der Rest des Landes ist entweder „gut“ (grün) bis „ungesund“ (rot). Quelle: www.ipe.org.cn

Was bleibt dann einer Umweltinitiative? Und was meint Ma Jun, wenn er von „empowering the people“ spricht? Sein 2006 gegründetes Institut IPE sammelt und analysiert Umweltdaten über Luft- und Wasserqualität, die von chinesischen Umweltämtern und Unternehmen stammen, überträgt sie auf eine chinesische Landkarte und publiziert diese – stündlich aktualisiert – mobil per App und auf seiner Webseite. Das Netz an Messstellen ist landesweit so dicht, dass die beiden Landkarten für Luft- und Wasserqualität einen guten Überblick über die Lage in ganz China bieten. Anhand der aufbereiteten Daten lässt sich leicht feststellen, wie Luft und Wasser in den Provinzen, Städten und Gemeinden beschaffen ist, und welche Firmen die gesetzlichen Grenzwerte überschreiten.

Die App enthält außerdem eine Kamerafunktion, mit der jeder Nutzer rauchende Schlote oder giftgrüne Flüsse fotografieren soll. IPE geht den Meldungen nach, fragt das zuständige Umweltamt bzw die verursachende Firma an und bittet um Stellungnahme. Letztes Jahr hat IPE auf diese und andere Weise rund 70.000 Grenzwert-Überschreitungen dokumentiert. Mit 3000 Unternehmen, den beiden Provinzen Shandong und Zhejiang sowie der Stadtregierung Beijing kooperiert das Institut mittlerweile.

Wasserqualität in  Beijing am 29.4.2017: nördlich von Beijing in den Bergen ist die Wasserqualität gut, während im Stadtgebiet schwarz ("black and smelly") oder rot vorherrscht. Quelle: www.ipe.org.cn

Wasserqualität in Beijing am 29.4.2017: nördlich von Beijing in den Bergen ist die Wasserqualität gut, während im Stadtgebiet schwarz („black and smelly“) oder rot vorherrscht. Quelle: www.ipe.org.cn

Das sind Mas Arbeits- und Druckmittel: er publiziert stündlich die Luft- und Wasserqualität im ganzen Land, dokumentiert, welche Firmen die Grenzwerte überschreiten, versucht möglichst viele Partner einzubeziehen und ruft die Bevölkerung auf, Verschmutzungen zu melden. Kein Zweifel, damit hat er eine Menge erreicht. Es ist erstaunlich, was diese relativ kleine Initiative leistet. Aber schaut man insgesamt die Zahlen an – nach zehn Jahren 3000 kooperierende Unternehmen landesweit sowie zwei Provinzen und eine Stadt (von insgesamt 33 chinesischen Provinzen und Städten) – dann ist das Ergebnis doch eher ernüchternd.

So betont freundlich und optimistisch Ma Jun an diesem Abend auch ist, ein paar seiner Sätze haben es in sich, auch wenn er sie leise und völlig unaufgeregt vorträgt. Zum Beispiel dieser: „konservativen Schätzungen zufolge sterben in China jährlich zwischen 300.000 und 500.000 Menschen vorzeitig an den Folgen von Smog“. Oder der: „es wird noch Jahrzehnte dauern, bis Chinas Umwelt sauber ist.“ Und: „Wenn es in China auch ein strenges nationales Umweltgesetz gibt, heißt das noch lange nicht, dass es auf Provinz- und Gemeindeebene angewendet wird.“ Oder das hier: „Die Zahl der Unternehmen, die die Umwelt am stärksten verschmutzen, ist überschaubar. Es wäre am effektivsten, bei diesen anzufangen.“ Nach dem letzten Satz stand folgender Gedanke förmlich im Raum: und warum wird das nicht gemacht? Vor wichtigen Ereignissen wie zum Beispiel der APEC-Konferenz oder der Militärparade im September 2015 werden viele Unternehmen kurzerhand für ein paar Wochen stillgelegt – und der Himmel über Beijing ist für ein paar Tage blau.

Die Verbreitung von Informationen ist natürlich sehr wichtig, aber es ist nur der erste Schritt. Informationen allein reichen nicht aus, die Umwelt zu verbessern, und ob dadurch der chinesischen Bevölkerung wirklich „mehr Macht“ verliehen wird, ist alles andere als sicher. Auch bei uns in Europa hat es lange gedauert, bis Gesetze zum Schutz der Umwelt verabschiedet und die entsprechenden Verwaltungsstrukturen und Ordnungsverfahren eingeführt worden sind. Aber ich glaube, dass der Prozess bei uns schneller und konsequenter voranging wie im heutigen China. Gute Luft- und Wasserqualität geht alle Menschen an, unser System begünstigt die aktive Teilnahme vieler und bietet Rechtssicherheit. Bei einer so vielschichtigen Problematik ist das von unschätzbarem Wert.

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Heimwärts

Es sind zwar noch drei Monate, bis wir wieder zurückkehren, aber trotzdem sind die Gedanken immer öfter schon in Deutschland. Es gibt ja auch eine Menge zu organisieren: wann genau fliegen wir zurück (es wird Ende Juli sein), was bleibt hier, wem können wir was verkaufen oder schenken (möglichst viel), was nehmen wir mit nach Hause (möglichst wenig), wann soll die Umzugsfirma kommen, was möchten wir unbedingt noch in China sehen und tun (nochmal den  Kaiserpalast bei Sonnenschein oder Wudangshan).

In unserem Häuschen wollten wir ein paar Dinge renovieren, Dinge, die vor der Abreise vor drei Jahren eigentlich schon anstanden, wir aber nicht mehr gemacht haben. Wann machen wir das, was und wie genau? Freunde haben uns erzählt, dass man in Deutschland die Handwerker mit dem Lasso einfangen muss, so soll die Bauwirtschaft  boomen. Das war schon so, als wir ausreisten, manche Dinge haben sich offenbar nicht geändert.

Ganz ohne eigenes Fahrzeug wird es nicht gehen, also müssen wir überlegen, was für ein Auto wir kaufen wollen. Aufgrund des Abgasskandals empfiehlt der Verkehrsclub Deutschland (VCD), den Kauf eines Autos zu verschieben. Wenn es gar nicht anders geht, soll für typische Stadt- und Überlandfahrer wie wir ein Hybrid-Fahrzeug die derzeit umweltfreundlichste Wahl sein. Bei den Preisen deutscher Hybrid-Fahrzeuge bin ich erst einmal vom Stuhl gekippt, bei japanischen ging’s mir wieder besser. Ein Hybride wird es vielleicht werden, gebraucht am besten, oder ein anderes Gebrauchtfahrzeug, Hauptsache praktisch, bezahlbar und möglichst umweltfreundlich.

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Aber noch sind wir hier, tatsächlich noch über drei Monate, länger als ein normaler Ausländer sich in China aufhalten kann. Noch viel zu früh für einen Rückblick. Also genießen wir die Zeit, heute ist herrlicher Sonnenschein über Beijing, der Wind kommt aus Norden, weiße Pappelblüten-Bällchen schweben durch der Luft, im Chaoyang-Park blühen die Pfirsichbäumchen in üppigem Rosa, über Mittag gehe ich raus und genieße die frühlingshaften 23 Grad.

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Eine neue Stadt für Beijing

Überraschend kündigte die chinesische Regierung am Samstag, 1. April die Gründung einer neuen Stadt an. Xiongan Xinqu (Neue Zone Xiongan) heißt sie, bestehend aus den Gemeinden Anxin, Xiong und Rongcheng in der Provinz Hebei, etwa 130 Kilometer südwestlich von Beijing und etwa ebenso weit von Tianjian entfernt, mitten in der „chinesischen Pampa“ also. Hauptziel der Neugründung: die übervolle Hauptstadt soll entlastet werden.

Nach der Wirtschafts-Sonderzone Shenzhen und Pudong in Shanghai nun ein drittes nationales Infrastrukturprojekt, das quasi aus dem Nichts entsteht. Shenzhen war ein kleines Dorf auf der Strecke zwischen Hongkong und Kanton, Pudong ein Fischerdorf auf sumpfartigem Marschland, und das neue Xiongan liegt im abgelegenen Hinterland Beijings. Staatspräsident Xi Jinping hat den Standort im Februar selbst inspiziert. Anfangs soll die neue Stadt 100 Quadratkilometer umfassen, im nächsten Schritt 200 Quadratkilometer und in der vollen Ausbaustufe dann 2000 Quadratkilometer. Zum Vergleich: Berlin hat 800 Quadratkilometer, New York City 750 Quadratkilometer. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua sparte auch nicht mit pathetischen Worten: „ein nationales Vorhaben“, „ein tausendjähriges Großprojekt“, „ein neues Areal von nationaler Bedeutung“, „eine historische strategische Wahl“.

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Die neue Stadt Xiongan liegt 130 km von Beijing und Tianjin entfernt. Quelle: china.org.cn

Laut Xinhua-Agentur soll das neue Areal sieben Missionen erfüllen: 1. eine moderne, internationale, grüne und intelligente Stadt errichten, 2. eine anmutige Umwelt schaffen, 3. eine hochwertige, hochmoderne Industrie entwickeln, 4. einen erstklassigen öffentlichen Service anbieten, 5. ein schnelles, hocheffizientes Verkehrsnetz aufbauen, 6. eine Strukturreform vorantreiben und 7. eine vollständige Öffnung nach außen erweitern.

Das hört sich alles sehr gut an. Die ersten beiden Missionen („grüne Stadt“ und „anmutige Umwelt“) müssen allerdings noch ein wenig warten. In unmittelbarer Nachbarschaft von Xiongan liegt das Zentrum der chinesischen Schwerindustrie. Baoding, Shijiazhuang, Hengshui, Cangzhou gehören zu den Städten mit der höchsten Luftbelastung. Wenn der Wind aus Süden kommt, ist das einer der Hauptgründe für Beijings Smogwolken.

Die Neugründung ist Teil der umfassenden Neustrukturierung der Städte Beijing und Tianjin sowie der umliegenden Provinz Hebei, ein Großprojekt, das unter der Bezeichnung „Jing Jin Ji“ bekannt geworden ist (Jing steht für Beijing, Jin für Tianjin und Ji ist das Kürzel für Hebei). Es geht vor allem darum, jeder Region bestimmte Funktionen zuzuordnen und die großen Ballungsräume Beijing und Tianjin zu entlasten. Für Beijing bedeutet das, dass alles, was „mit den Funktionen einer Hauptstadt nichts zu tun hat“, ausgelagert wird – so die offizielle Formulierung. Dazu zählen Staatsunternehmen und öffentliche Einrichtungen genauso wie Privat- und Dienstleistungsunternehmen, Schulen und andere Bildungseinrichtungen. In Beijing sollen nur noch zentrale Regierungsinstitutionen und alle Einrichtungen, die unmittelbar damit in Zusammenhang stehen, verbleiben.

Was das genau bedeutet, ist nicht wirklich klar. Aber einige Maßnahmen, die bereits in die Wege geleitet wurden, zeigen, wohin die Reise geht. Letztes Jahr wurde bekannt, dass Teile der Stadtregierung in den Vorort Tongzhou östlich von Beijing umsiedeln werden. Zahlreiche Fabriken und Unternehmen sind in den letzten Jahre bereits geschlossen worden, um die Luftqualität zu verbessern. Großmärkte werden abgerissen, provisorische Siedlungen und Kellerwohnungen geräumt, um illegal zugereiste Händler und Arbeiter zu vertreiben. Auch „Verschönerungsmaßnahmen“ gehören dazu. In Beijings Hutong-Altstadt werden derzeit allzu große Fensterfronten von Restaurants, Bars und Cafés zugemauert. Der historische Charakter der Altstadt soll erhalten bleiben.

Aber was passiert mit den großen Universitäten, die zu den führenden des Landes gehören? Was mit dem High-Tech-Areal in Zhongguancun mit seinen Start-ups und Kommunikationsunternehmen? Beijing ohne Industrie- und Produktionsstätten kann man sich noch vorstellen, aber was ist mit den vielen Institutionen, Unternehmenszentralen und Gesellschaften? Was macht die Kunst- und Kreativ-Szene, gehört sie zu den „Funktionen einer Hauptstadt“? Und wofür wird dann ein zweiter großer Flughafen im Süden Beijings gebaut?

Noch einen Schritt weiter gedacht: können solche Megaprojekte noch kontrolliert durchgeführt werden? Shenzhen ist in den 80er Jahren von Deng Xiaoping gegründet worden, Pudong 10 Jahre später von Jiang Zemin. Das waren Chinas Aufbruchsjahre,  große Infrastukturprojekte befeuerten den Wirtschaftsaufschwung. Inzwischen ist die chinesische Wirtschaft komplexer, die Gesellschaft vielfältiger geworden. Kann man wiederholen, was vor 30 Jahren funktionierte?  Oder wird Xiongan nur ein weiteres Spekulationsobjekt der Immobilienhaie? Es gibt in China schon eine Reihe von leerstehenden Immobilienkomplexen (sogenannte „Geisterstädte“). Die Grundstücks- und Immobilienpreise in Xiongan schossen kurz nach Bekanntgabe des Projekts schon in die Höhe, was die lokalen Behörden veranlasst hat, den gesamten Immobilienhandel in der Region erst einmal komplett auszusetzen.

Aber wenn diese Pläne wirklich greifen, wie wird dann Beijing in vielleicht zwanzig oder dreißig Jahren aussehen, wenn nur noch die „Funktionen einer Hauptstadt“ verblieben  sind? Eine reine Verwaltungsstadt? Das war Beijing zur Kaiserzeit schon, eine Verwaltungs- und Militärstadt, damals genauso aus dem Boden gestampft wie Pudong und Shenzhen und bald auch Xiongan heute. Mit niedlichen, kulissenartigen Hutong-Häuschen im Zentrum und schicken Glitzerfassaden in den äußeren Bezirken, kleine Logistikunternehmen liefern alles, was man zum Leben braucht nach Hause, bezahlt wird bargeldlos per Handy, die Einreise in die Hauptstadt wird streng kontrolliert (das ist heute schon Realität), die Kreativen haben sich verdrückt, schicke neue Beijing-Welt – so vielleicht?

Eines ist sicher, es bleibt spannend zu beobachten, wie sich Beijing und China entwickeln. Und sie werden sich weiter entwickeln, in raschem Tempo, schneller als anderswo und bestimmt ganz anders als erwartet.

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Das ganze Bild

In den Wudang-Bergen hat man viel Zeit. Das sieht man an den Übungen. Schon die Vorbereitungen nehmen gut 20 bis 30 Minuten ein, mit Hauptübung und Abschluss kommt man locker auf eine Stunde oder länger für einen Durchgang. Der Körper wird langsam an die Übung heran geführt, Stück für Stück darf er sich an die neuen Bewegungen gewöhnen. Dann kommt die eigentliche Übung, die auch wenn äußerlich nicht viel zu sehen ist, ordentlich Arbeit und Konzentration für Körper und Geist bedeutet. Zum Abschluss „wachen“ Körper und Geist wieder auf und kommen zurück in den Normal-Modus, auch wieder allmählich, Stück für Stück, ein Schritt nach dem anderen.

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Die ersten Sonnenstrahlen fallen in den Innenhof der Wushu-Schule in Wudangshan, Provinz Hubei.

Wenn man den ganzen Tag nichts anderes tut, ist das in Ordnung. Dehnen, atmen, sich mit netten Menschen unterhalten, schlafen, essen, keine News lesen – zwei Wochen lang habe ich das – wie schon vor einem Jahr – in den Wudang-Bergen gemacht – einfach herrlich. Dieses Mal konzentrierte ich mich auf innere Übungen wie die „Sechs Zeichen“, „Qi sammeln“ und den „Himmelskreislauf“, Basisübungen für Atem und Geist. Beide Übungen habe ich schon in Deutschland kennen gelernt. Aber wie bei den „Acht Brokaten“ und beim „Stehen wie ein Baumstamm“ habe ich wieder den Eindruck, dass die Übungen aus Wudang am klarsten, am einfachsten und am wirkungsvollsten sind. Was ich bisher gelernt habe, ist nicht falsch, aber es ist oberflächlicher, teilweise widersprüchlich, bruchstückhaft, die Kurzvariante. In den Wudang-Bergen bekommt man das ganze Bild.

Nur, wie baue ich das in meinen Alltag in Beijing und später in Frankfurt ein? Beide Städte sind schnell, ich reise beruflich viel und, ach ja, den Arbeitsalltag gibt es auch noch. Wie schaffe ich es nur, die gesunde Langsamkeit Wudangs mit dem hektischen Alltag einer modernen Stadt zu verbinden? Keine Ahnung.

In Beijing gibt es noch ein weiteres Problem: die Luftqualität. Meine Lehrer in Wudang haben betont, dass ich bei schlechter Luft nicht üben soll. Auch soll ich nicht im Zimmer üben. Hm, wenn draußen schlechte Luft herrscht, wie in den kommenden drei Tage („schwere Verschmutzung“), dann ist mir die vom Luftreiniger gesäuberte Luft im Zimmer immer noch am liebsten.

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Der Klopapier-Klau

Nun doch noch ein paar Zeilen über das Allerweltsthema „die öffentliche chinesische Toilette“. Aus aktuellem Anlass, denn in den Toilettenanlagen am Himmelstempel in Beijing gibt es ab sofort eine Gesichtserkennungs-Maschine. Wofür? Davon später.

Wer in den 80er oder 90er Jahren in China unterwegs war, kennt sie: die berühmten chinesischen Hock-Toiletten, im Boden einfach ein paar Schlitze, einer neben dem anderen, auf dem Land ohne Trennwände, in den Städten meist mit einem niedrigen Mäuerchen, ein Häuschen drum herum, zwei Eingänge an den Seiten, einer für Männlein 男, einer für Weiblein 女 (diese beiden Zeichen sollte man sich als China-Reisender sehr früh einprägen). Papier musste man selbst mitbringen (auch daran sollte man unbedingt denken). Für westliche Menschen sehr gewöhnungsbedürftig, einmal die schwierige Hockstellung, die Chinesen wundersamerweise auch noch im hohen Alter bravourös meistern, zum anderen die besondere „Öffentlichkeit“ des Orts. Aber einen Vorteil hat diese Art der Toilette schon: außer mit den Fußsohlen muss man nichts berühren, keine Türe, keine Klobrille, keinen Wasserhahn, nichts, rein und wieder raus – fertig. In ländlichen Regionen kann man auch heute noch solche Anlagen antreffen.

Heute sind die öffentlichen Toiletten meist wesentlich komfortabler, mit Wasserspülung, zum Teil mit Klimaanlage im Sommer und Heizung im Winter, mit einer Rampe für Rollstuhlfahrer, helles Licht, Spiegel und Waschbecken, mit regelmäßiger Reinigung, guter Durchlüftung, ein Wischmob steht immer bereit oder hängt dekorativ am Eingang, auch Sterne werden schon mal vergeben (die Toilette im Kaiserpalast zum Beispiel ist eine echte „4-Star-Toilet“ und ist mit Spiegel-Entré und Grünpflanzen ausgestattet). Man findet die öffentlichen Toiletten auch leicht, einmal gibt es relativ viele – die weitsichtigen Beijinger Stadtplaner haben sich zum Ziel gesetzt, die Hauptstadt flächendeckend mit Toiletten auszustatten, sodass kein Bürger weiter als 500 Meter bis zur nächsten Anlage gehen muss – zum anderen sind sie gut ausgeschildert und meist recht prominent gelegen. Fast ganz normale städtische Bedürfnisanstalten also.

Aber nur fast. Zwei Eigenheiten haben sich die chinesischen Toiletten erhalten, also quasi die Toilette „mit chinesischer Besonderheit“. Die Chinesen hocken immer noch. Das sehe ich eindeutig als Vorteil, denn man muss bei seinem Geschäft nichts mit den Händen berühren. Und zweitens: Papier muss man nach wie vor selbst mitbringen. Wer es vergessen hat, hat Pech gehabt. In keiner öffentlichen Toilette liegt Papier aus. Und wenn welches ausliegt, dann nur für sehr kurze Zeit. Chinesen nehmen es einfach mit für zuhause oder eben für alle Fälle.

Die Parkverwaltung im Himmelstempels ist fest entschlossen, dem ein Ende zu bereiten. Sie stellte eine Untersuchung an, um dem ärgerlichen Verhalten auf den Grund zu gehen, und fand dabei heraus, dass es vor allem die älteren Gäste sind, die den Klopapier-Klau gleich sackweise betreiben. Ganze Rollen und Packungen sollen innerhalb von Minuten verschwunden sein.

Das Ergebnis der Untersuchung ist nun eine Klopapierausgabe-Maschine mit integrierter Gesichtserkennung. Will der Gast Papier, muss er sich vor einen gläsernen Kasten stellen, eine Kamera nimmt das Gesicht auf, Hut und Sonnenbrille absetzen (man kennt das vom Flughafen), eine Software scannt das Gesicht und merkt es sich. Dann wird pro Person 60cm Papier freigegeben. Erst neun Minuten danach kann dieselbe Person – genauer: daselbe Gesicht – wieder kommen und erneut Papier erhalten (warum gerade 9 Minuten und warum 60 cm und nicht 80 cm oder 40 cm ist unklar).

Bleibt nur zu hoffen, dass das Gerät schnell und zuverlässig funktioniert, angeblich soll es nur wenige Sekunden dauern, bis das Gesicht erkannt wird. Erste Berichte über längere Wartezeiten – mehr als 30 Sekunden, also eine halbe Ewigkeit –  kursieren schon in den Medien. Ich bin gespannt, welche Tricks sich die Beijinger einfallen lassen, um der Hightech-Anlage ein Schnäppchen zu schlagen: man kann ja mal die ganze Familien vorbei schicken, oder einfach einen ganzen Tag im Häuschen verbringen und alle neun Minuten vor die Kamera treten. Und wann wird diese Toilette dem Himmelstempel als Touristenattraktion den Rang ablaufen?

Mann, Mann, Beijing, Beijing, das Hightech-Kamera-Überraschungs-Land, kein Straßenzug, der nicht von einer Kamera abgedeckt wird, nur London soll eine noch größere Dichte an Kameras aufweisen, und nun auch in den Toiletten. Da denke ich doch ein wenig mit Wehmut an die nackten Schlitze im Boden ohne Trennwände. Unglaublich, welches technische Gimmick kommt nach Online Payment per Wechat, Restaurant-Bestellungen per QR-Code-Scan und Gesichtserkennungs-Klopapier-Ausgabemaschine als nächstes?

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Trump und Xi: eine Taijiquan-Lehrstunde

Was hat Diplomatie mit Taijiquan zu tun? Eigentlich nichts. Oder doch?  Tajiquan ist eine weiche Kampfkunst, eine Art Tanz oder Spiel, bei dem es schon darum geht, den Gegner zu besiegen oder zumindest aus dem Gleichgewicht zu bringen, aber möglichst sanft, mit Geduld und Geschick und so, dass der Gegner nicht weiß wie ihm geschieht. Greift der Gegner nicht an, passiert nichts. Greift er aber an, hat er schon verloren. Diplomatie ist „Krieg mit friedlichen Mitteln“ oder Diplomatie ist „die Kunst, jemanden in so netter und charmanter Weise zu sagen, daß er zur Hölle gehen soll, daß der Angesprochene sich sogar auf die Reise freut.“ Klingt doch ganz ähnlich.

Was in den letzten Monaten zwischen China und den USA ablief, ähnelt einer Lehrstunde in Taijiquan, einem diplomatischen Taiji-Tanz –  bislang mit klaren Vorteilen für China. Taijiquan ist bestens geeignet, mit Gegnern umzugehen, die stärker sind als man selbst.

Taiji-Grundsatz 1: Das Gleichgewicht bewahren
Mit wüsten Beschimpfungen, abstrusen Beschuldigungen und groben Provokationen blies US-Präsident Trump schon im US-Wahlkampf zum Angriff gegen China: „China ist der größte Währungs-Manipulator“, „die globale Erwärmung ist eine Erfindung der Chinesen, um die amerikanische Wirtschaft zu schwächen“, „China hat den USA zwei Millionen Jobs in der Industrie gestohlen“, sein Telefonat mit Taiwans Präsidentin und sein Anzweifeln der „Ein-China-Politik“. Wie reagierte China? Zum chinesischen Neujahr hat die amerikanische Botschaft Trumps Tochter Ivanka eingeladen, chinesische Unternehmer, darunter Alibaba-Gründer Jack Ma, verbreiteten freundliche Neujahrswünsche auf dem Times Square in New York, derselbe Jack Ma traf Trump und versprach viele Jobs in den USA zu kreieren, der chinesischen Presse wurde verboten, sich über Trump zu äußern, schon gar nicht negativ, einige von Trumps laufenden rechtlichen Streitigkeiten in China sind zugunsten von Trumps Unternehmen abgeschlossen worden. Ein paar informelle Nettigkeiten, nichts Großes, eher symbolisch, hebt aber die Stimmung und besänftigt den neuen Poltergeist im Weißen Haus.

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Den „Trump-Hahn“ gibt es in einigen chinesischen Städten. 2017 ist das Jahr des Hahns. Foto: Wechat Jiabao shijue

Taiji-Grundsatz 2: Den Gegner ins Leere laufen lassen
Auf offizieller Ebene liefen sämtliche Unverschämtheiten und Provokationen  ins Leere. Peking ließ ein paar Statements verlesen, die Staatsmedien verlauten, dass die Einheit Chinas nicht verhandelbar sei, China fischte eine amerikanische Unterwasserdrohne aus dem südchinesischen Meer – das war’s. China zeigte Geduld, China schaute zu, China wartete, bis Trumps Provokationen im Sande verliefen. Letztlich hat sich Trump mit seiner Unbeherrschtheit und Grobheit selbst geschadet.

Taiji-Grundsatz 3: Die Kraft des Gegners nutzen
Und dann kam der Gegenangriff: ein kurzes Telefonat während des chinesischen Neujahrsfests zum Austausch von Nettigkeiten. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping nutzte die Gunst der Stunde und ließ Trump ein Bekenntnis zur „Ein-China-Politik“ ablegen und Trumps Medienpräsenz sorgte dafür, dass es die ganze Welt erfuhr. Damit war eines der heikelsten Themen vom Tisch. Was Trump mehrfach wiederholte – eine Änderung der „Ein-China-Politik“ – löste sich in Luft auf.

Taiji-Grundsatz 4: Nachsetzen, wenn der Gegner sich zurückzieht
Überall dort, wo die Vereinigten Staaten schwach sind, wo sie sich zurückziehen, setzt China nach und stärkt seine Position. Mit einer seiner ersten Präsidenten-Dekrete stoppte Trump das geplante Transatlantische Handelsbündnis, kurz darauf startete China eine Handelsoffensive für die pazifische Region. Trump verdammt internationale Handelsvereinbarungen, möchte die USA ökonomisch abschotten, gibt sich protektionistisch. Xi trat hingegen in Davos als Verfechter des Freihandels und der Globalisierung auf –  und erntete dafür großen Beifall der anwesenden westlichen Regierungschefs. Dort angreifen, wo der Gegner schwach ist, wo er gegenwärtig nicht hinschaut, ist eines der herausragenden Taktiken der Chinesen. Sie suchen nicht die direkte Konfrontation, sondern sind dort präsent, wo die Starken schwach sind.

Bei allen Unterschieden zwischen USA und China, Trump und Xi sind sich im Geiste womöglich näher als man denkt. Trumps „Krieg gegen die Medien“ dürfte in Peking auf Verständnis stoßen, ebenso sein autokratischer Regierungsstil, unangenehme Dinge als „fake news“ umzudeuten sowie seine Sympathie für Putins Russland. Vielleicht werden die USA unter Trump bald „chinesischer“?

Nur in einem sind die beiden sehr verschieden: im öffentlichen Auftritt. Xi verliert niemals öffentlich die Kontrolle, er ist nie ausfallend oder unbeherrscht. Wer das in China tut, hat schon verloren.

Bislang hat sich China wesentlich geschickter verhalten – abwartend, geduldig, freundlich. Trump hat sich in den letzten Wochen kaum noch über China geäußert und sein Tonfall ist moderater geworden. Mal sehen, wie die nächste Runde der Taiji-Diplomatie ausgeht.

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Locker „wie ein frisch gebackener Krapfen“

Was mich beim Taijiquan und Qigong immer wieder beschäftigt: was meinen Chinesen, wenn sie „song“ („entspannt, locker sein“) sagen und wie schaffen sie es, „yi“ („Bewusstsein, Intention“) mit „Entspannung“ zu verbinden? Was bedeutet „Bewusstsein einsetzen und nicht Kraft“ („yong yi, bu yong li“) und was ist der Unterschied zwischen „li“ („Muskelkraft“) und „jin“ („entspannter Kraft“)?

Die letzten beiden Ausgaben des Wudaoguan-Newsletters handeln genau davon: „Wie entspannen bei der Übung ‚Stehen wie ein Baumstamm'“ und „Ohne Bewusstsein yi ist Taijiquan nur einfache Gymnastik“. Das Wudaoguan, die Wudang-Schule in Beijing, bei der ich seit gut zwei Jahren Unterricht nehme, veröffentlicht regelmäßig kurze, sehr hilfreiche Newsletter, die immer wieder nützliches Hintergrund-Wissen als Ergänzung zum Unterricht enthalten. Die folgenden Absätze sind Auszüge aus den beiden oben genannten Newslettern, die wie ich finde etwas ungewöhnliche, aber sehr praktische Hilfestellungen geben.

Richtiges Entspannen beginnt – wie bei so vielem im Qigong und Taijiquan – mit Steh-Übungen, dem zhanzhuang, dem „Stehen wie ein Baumstamm“. Nachdem man die korrekte Körperhaltung eingenommen hat, geht man wie folgt vor:

Sich als Teil der Natur empfinden wie ein „Fisch im Wasser“
Man stellt sich vor, man steht auf einem Stein in einem See, saftiges Grün wächst am Ufer, Vögel singen leise, ein leichter Wind kräuselt das Wasser und der Körper bewegt sich sanft im Wind.

Jedes Körperteil entspannen, locker und luftig sein wie „ein Krapfen“
In der Vorstellung wandert man von oben nach unten durch den gesamten Körper, bleibt an jedem Körperteil stehen, löst Verspannungen, lockert Blockaden  – von der Kopfhaut über die Ohren, Augen, Nase, Mund, Kiefer, Hals, Schultern, Arme, Becken, Knie bis zu den Zehen und den Fingern. Entspannen bedeutet jedoch nicht sich einfach hängenzulassen oder in sich zusammenzusacken, sondern vielmehr nach außen auszudehnen und locker und luftig zu sein „wie ein frisch gebackener Krapfen“ (im Originaltext steht „mantou„, ein weicher, gedämpfter Teigkloß aus Weizenmehl, ein Krapfen hat eine vergleichbare Konsistenz – Anmerkung des Autors).

Steh-Auf-Männchen und Struktur im Körper beibehalten
Man stellt sich vor, das Muskelfleisch im ganzen Körper fließt langsam nach unten wie dicker Lehm. Beine und Füße werden kräftig, man fühlt sich wie ein „Steh-Auf-Männchen“: unten schwer, oben leicht. Gleichzeitig bleibt die Knochenstruktur des Körpers erhalten . Man kann sich auch vorstellen wie Lehm an einem Hang herunter fließt, der Fels jedoch stehen bleibt, oder – noch ein anderes Bild – wie Kleider an einem Kleiderbügel hängen, der Kleiderbügel steht für die Knochen, das Kleid für die Muskeln.
Die Knochen sitzen locker, die Gelenke sind offen, und man versucht nun mit dem Bewusstsein, die Abstände in den Gelenken zu vergrößern – im Schultergelenk, zwischen den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule, die Leiste, die Hand- und Fußgelenke.

Den Körper in alle sechs Richtungen ausdehnen
Nach oben und unten, vorn und hinten, links und rechts – in alle sechs Richtungen dehnt man den Körper aus und man spürt ein Gefühl der Leichtigkeit und der Entspannung. Das Ausdehnen des Körpers ist durchaus konkret zu verstehen, der Körper weitet sich in alle Richtungen bis an den Horizont, bis ins Unendliche aus. Das Bewusstsein erfüllt den gesamten Kosmos, die Leere xu. Aufgrund der Entsprechung des Qi fließt das Ursprungs-Qi des Kosmos ganz natürlich in den Körper (hier spielt sehr stark der daoistische Gedanke von der Einheit von Mikrokosmos und Makrokosmos eine Rolle. Innen und Außen ist eins, es gibt keine Unterscheidung zwischen Körper und umgebender Welt, im Kleinsten spiegelt sich das Ganze wider – Anmerkung des Autors).

Das Bewusstsein zurückholen
Nach etwa der Hälfte der Übungszeit holt man das Bewusstsein von den sechs Richtungen wieder zurück in den Körper. Man bewahrt das Bewusstsein im Mingmen oder im Dantian, lässt das Qi im ganzen Körper fließen, ist „leer“. Das Bewahren im Dantian ist kein Konzentrieren auf einen einzigen Punkt, sondern auf ein Areal im Unterbauch, das auf den ganzen Körper ausstrahlt, ähnlich wie bei einer Lampe: Docht und Flamme sind das Dantian, die Lampe ist der ganze Körper, das Dantian als Zentrum strahlt auf den gesamten Körper aus.

Die Ernte einbringen
Vor Abschluss der Übung richtet man das Bewusstsein auf den Nabel. Am Anfang der Übung steht das Säen, zum Schluss bringt man die Ernte ein: Beide Hände übereinander legen, 9-18 Mal in Gegenrichtung um den Nabel kreisen, dann in die andere Richtung 9-18 Mal drehen. Ganz zum Schluss bleiben die Hände 1-2 Minuten auf dem Nabel liegen.

Verbindung von Bewusstsein und Entspannung
Abschließend noch eine einfache Übung wie man das Bewusstsein mit Entspannung und Bewegung verbindet. Die Übung heißt „Das Bewusstsein verbindet Atmen und Entspannen“ (xisong heyi). Diese kleine Übung kann als Vorbereitung zu jeder Übungsreihe gemacht werden und unterstützt die innere Bewegung. Der Einstieg ist immer ganz wichtig, findet man den richtigen Start, läuft die gesamte Übung fast von alleine:

Yi  (Bewusstsein oder Intention) reguliert den Atem (tiaoxi), lockert den Körper (songshen), bewegt Qi (xingqi) und setzt die entspannte Kraft (shijin) in Bewegung, löst also die inneren Bewegungen aus, die man „Yi-Qi-Bewegung“ (yiqi yundong) nennt. Man steht aufrecht und still, die Gedanken konzentrieren sich auf das Atmen und Entspannen. Beim Ausatmen wandert das Bewusstsein in der Mitte des Körpers von oben nach unten, das Ausatmen wird nicht unterbrochen, ebenso wird das Bewusstsein nicht unterbrochen, Stück für Stück werden der Hals, die Brust, der Bauch, die Leiste, die Knie und die Beine mit dem Bewusstsein entspannt. Ist das Ausatmen beendet, ist man bei den Füßen angelangt. Dasselbe macht man mit den Armen und Händen. Stück für Stück werden Schultern, Ellbogen, Handgelenke, Hände und Finger mit dem Ausatmen und dem Bewusstsein entspannt. Wenn das Bewusstsein bei den Händen angelangt ist, hat man ausgeatmet. Die Übung nennt man „Verbindung von Bewusstsein, Atmung und Entspannung“. Die Atmung ist etwas Instinktives, Entspannung ist eine innere Bewegung. Um die Atmung mit der inneren Bewegung zu koordinieren ist yi, Bewusstsein, notwenig. Nach einer Weile verbindet sich das Ausatmen mit Entspannung auf natürliche Weise, sodass Entspannen gleichzeitig Ausatmen bedeutet und umgekehrt. Atmung und Entspannung ist die Basis der inneren Qi-Bewegung, d.h. Übung des Bewusstsein ist immer auch eine Übung von Bewusstsein und Qi.

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