Was kommt nach dem Homeoffice?

Wir sind derzeit im Homeoffice, wie viele deutsche Unternehmen, und das wird noch bis zum 20. April andauern, wie Kanzleramtschef Helge Braun klargestellt hat. Das ist gut so angesichts der exponentiell steigenden Corona-Fallzahlen in Deutschland. Aber auch dieser Zustand wird einmal ein Ende haben. Irgendwann werden auch wir wieder in unsere Büros gehen. Nur, wie wird dann unser Arbeitsalltag aussehen?

Ein Blick nach China kann uns vielleicht eine Vorstellung davon geben, was auf uns zukommt. China ist uns zwei Monate im Corona-Zyklus voraus. So lange hat es dort gedauert, bis die Behörden die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle hatten. Unter Einhaltung bestimmter Auflagen und Hygienevorschriften können die Unternehmen ihre Büros seit einiger Zeit wieder öffnen. Die Beijinger Tageszeitung hat den Xi’er Qi-Software-Park im Hightech-Park Zhongguancun in Beijing besucht und den Mitarbeitern der Internetfirma Flink&Flott über die Schulter geschaut.

Corona-Fälle in Beijing, Stand 29. März 2020. Quelle: Johns Hopkins Universität Corona Research Center

Vorab: Die 22-Millionen-Stadt Beijing war vom Ausbruch des Corona-Virus nur am Rande betroffen wie fast alle Städte und Regionen in China außer der Stadt Wuhan und der Provinz Hubei. Stand heute, 29. März 2020, gab es in Beijing laut Johns Hopkins Universität bislang 8 Tote und 577 Corona-Fälle. Aktuell gelten 411 als geheilt. Damit gibt es derzeit 158 aktive Fälle. Das sind – Augenblick mal – genau 0,0007 Prozent. Das ist eine relativ überschaubare Zahl verglichen mit den Zahlen in Europa und trotzdem gelten in Beijing sehr, sehr strenge Regeln.

In einem Büro der Internetfirma Flink&Flott: die Hälfte der Mitarbeiten arbeiten wieder. Foto: Paizhe

Ohne Temperaturmessung kein Zutritt
Die Firma Flink&Flott zählt 7.000 Angestellte, sie arbeiten in Großraumbüros wie das in China üblich ist unter für uns relativ engen Verhältnissen. Deswegen kommen nur etwa die Hälfte, sodass der Mindestabstand zum Arbeitskollegen gewahrt bleibt. Flink&Flott bezahlt die Anfahrt mit dem Taxi, damit die Angestellten keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen müssen. Am Eingang zum Gebäude wird die Temperatur gemessen. Ist sie im Normbereich, erhält der Angestellte eine gelbe Karte mit aufgedrucktem Tagesdatum, die ihn dazu berechtigt, sich die nächsten vier Stunden ohne weitere Temperaturkontrollen auf dem gesamten Firmengelände frei zu bewegen. Ist man Besucher, dann muss man sich zusätzlich am Empfang persönlich mit Unterschrift registrieren. Der Stift, mit dem man unterschreiben muss, wird in einer Desinfizierbox aufbewahrt. Bevor man nun das Gebäude betritt, geht man noch mehrere Schritte über eine Matte, die die Schuhsohlen desinfiziert.

Kosmetiktücher im Aufzug und viele, viele Hinweisschilder, Foto: Paizhe

Kosmetiktücher im Aufzug
Das gesamte Firmengelände wird zweimal täglich mit flüssigen Desinfektionsmitteln komplett besprüht, die Aufzüge vierzehnmal. Nur bis zu acht Personen dürfen einen Aufzug gleichzeitig benutzen, Aufkleber am Boden zeigen an, wo man stehen soll. Damit man die Knöpfe im Aufzug nicht berühren muss, hängen Kosmetiktücher an der Wand. Jeder Mitarbeiter kann sich außerdem pro Woche sechs Atemmasken kostenfrei abholen. Das Tragen der Masken ist selbstverständlich Pflicht, am Arbeitsplatz wie in der Öffentlichkeit. Auf der Toilette, im Foyer, vor den Aufzügen, in den Aufzügen, an den Eingangstoren – das Firmengelände ist bepflastert mit Hinweisen, wie man sich in Corona-Zeiten richtig zu verhalten hat.

Mittagspause bei Flink&Flott: Essen unterm Schutzschirm, Foto: Paizhe

Essen unterm Schutzschirm
Ein besonders sensibler Bereich ist die Kantine. Sie hat bei Flink&Flott natürlich geschlossen. Dafür gibt es morgens eine Ausgabestelle, wo sich jeder Mitarbeiter – nachdem er sich mit dem bereitgestellten Desinfektionsmittel die Hände besprüht hat – eine Frühstückstüte abholen kann. Das Mittagessen wird angeliefert und auf jedem Stockwerk zur Selbstabholung bereitgestellt. Gegessen wird am Arbeitsplatz unter einem speziell dafür entwickelten Schutzschirm. Der firmeneigene Friseur und das Fitnessstudios haben selbstverständlich geschlossen. Pakete, die per Kurierdienst angeliefert werden, liegen erst einmal eine Weile unter ultraviolettem Licht, bevor sie angefasst und geöffnet werden, auch das soll eine desinfizierende Wirkung haben.

Übertreiben die Beijinger?
Das sind schon sehr viele weitreichende Maßnahmen. In Beijing dürfte man derzeit keinen Schritt vor die Haustüre tun können, ohne auf das Virus und die richtige Verhaltensweise hingewiesen zu werden. Übertreiben die Chinesen? Vielleicht. Vielleicht übertreiben sie in dem Maß wie wir untertreiben. Das Virus macht keinen Unterschied zwischen Chinese und Europäer, Amerikaner oder Afrikaner. In Europa haben wir viel zu lange mit vergleichbaren Maßnahmen gewartet. Vergessen wir nicht, China hat viel mehr Erfahrung mit Viruskrankheiten als wir. Seine erste Epidemie dieser Art war SARS vor zwanzig Jahren. Schon zu kaiserlichen Zeiten reagierte China mit sehr konsequenten und drastischen Maßnahmen auf Seuchenausbrüche. Das konsequente Abriegeln von betroffenen Regionen wie die Stadt Wuhan, ist für China nicht neu. Lieber übertreiben als untertreiben. Hilft Leben zu retten und hilft zu arbeiten und trotzdem die Verbreitung des Virus zu hemmen.

Der Artikel inklusive Fotos basiert auf einer Reportage der Beijinger Tageszeitung, die von „Paizhe“, dem Fotografen der Reportage, auf WeChat veröffentlich wurde. Der Titel der Reportage lautet: 疫情之下:一家互联网公司的复工之路 (Unter dem Corona-Virus: Wie eine Internetfirma wieder zur Arbeit zurückkehrt).
Hier geht es zum Originalartikel auf WeChat: https://mp.weixin.qq.com/s/ZKdKon0iklh2qrlBXD6d8g

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